Die Herrschaft der Zaren - Russlands Aufstieg zur Weltmacht by Uwe Klußmann

Die Herrschaft der Zaren - Russlands Aufstieg zur Weltmacht by Uwe Klußmann

Autor:Uwe Klußmann [Klußmann, Uwe]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2013-11-13T05:00:00+00:00


Bombe vor die Beine

Mit verspäteten und halbherzigen Reformen

wie der Aufhebung der Leibeigenschaft versuchte

Alexander II., sein Reich zu modernisieren.

Dann geriet er ins Visier von Terroristen.

Von Christoph Gunkel

Als sich der Rauch der Explosion gelegt hat, will der Zar dem Mann in die Augen sehen, der ihn soeben umbringen wollte. Alexander II. steigt aus seiner Kutsche, deren Fenster zersplittert sind. Stapft an zwei Leibgardisten und Pferden vorbei, die im Schnee verbluten. Ignoriert seine Soldaten, die ihm zurufen, der Zar solle lieber fliehen, schnell, schnell, so schnell es nur gehe. Dann steht der mächtigste Mann Russlands vor dem Attentäter, den die verbliebenen Leibgardisten überwältigt haben, und wirkt ziemlich machtlos, als er mit kindlich-naivem Zorn fragt: »Hast du die Bombe geworfen? Das ist ja wirklich unglaublich!«

Ratlos blickt der Zar auf einen unscheinbaren Mann mit Fellmütze und grober Stoffjacke. Woher kommt dieser Hass, der gerade ihn trifft, der sein Land modernisiert hat wie kaum ein anderer Herrscher? Warum wird er, der Bauern und Studenten ein weit freieres und erträglicheres Leben ermöglicht hat, nun im Namen dieser Leute verfolgt? Alexander II. findet keine Antwort, wieder einmal. Der Bombenwurf vom 13. März 1881 war bereits der siebte Mordanschlag auf Alexander. Über Jahrhunderte hatte es niemand aus dem Volk gewagt, einem von Gott gesandten Zaren nach dem Leben zu trachten. Doch jetzt schossen einfache Bürger auf ihren Kaiser, sprengten einen Teil seines Winterpalais in die Luft, zündeten Minen auf Bahnstrecken, die er befuhr. Zum ersten Mal war in Russland der Herrscher der Gejagte. Dabei hatte Alexander selbst jenen, die nun seinen Tod herbeisehnten, lange als Hoffnungsträger gegolten.

Als er 1855 die Zarennachfolge antrat, übernahm er eine tief verunsicherte Großmacht. Das Imperium hatte im Krim-Krieg verheerende Niederlagen erlitten und hinkte den europäischen Staaten wirtschaftlich und sozial hinterher. Während die Leibeigenschaft weiter westlich seit rund einem halben Jahrhundert abgeschafft war, ackerten in Russland noch 50 Millionen Menschen in Unfreiheit – unter ihnen Wladimir Putins Urgroßvater Iwan. Der humanistisch erzogene Alexander II. wollte sein Reich aus dieser Rückständigkeit führen und vom Stigma der Barbarei befreien. Mutig beschloss er, zuerst mit dem größten Übel aufzuräumen: der Leibeigenschaft. Die Zeit drängte. Allein zwischen 1850 und 1854 hatte es 140 Bauernaufstände gegeben.

Der Kaiser wusste, dass er sich mit seinem Vorhaben unerbittliche Feinde machen würde. Der erzkonservative Landadel war nicht gewillt, die lukrative Ausbeutung kampflos aufzugeben, schließlich lag der Kaufpreis für Leibeigene oft unter dem eines guten Hundes. Vorsichtig versuchte Alexander, seinen Reformplan in Watte zu packen. »Sie werden sicher selbst verstehen, dass das jetzige System leibeigener Seelen nicht unverändert bleiben kann«, sagte er im Frühjahr 1856 gegenüber Adelsvertretern. Dann legte er seinen Köder: »Es ist jedoch besser, es von oben abzuschaffen, als auf den Augenblick zu warten, in dem es von unten abgeschafft wird.« Die Angst vor einer Bauernrevolution sollte den Adel dazu bewegen, über seine Enteignung nachzudenken. Denn selbst die kompromissbereiten Gutsherren ahnten, dass die Bauern nicht befreit werden konnten, ohne ihnen Land zuzuteilen.

Das Kalkül ging nicht auf. Zwar waren Grundbesitzer in den industrialisierten und weniger fruchtbaren Provinzen des Nordens bereit, Land an Leibeigene zu veräußern.



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.